Mit der Sonne kommt die Musik Straßenmusik in Schwerin
Die Frühjahrssonne lockt sie hervor: die zartgrünen Blätter der Birken, die Verkaufsstände für Spargel und Erdbeeren und die Musikerinnen und Musiker auf den Straßen Schwerins. Sarah Eileen Rutzen (26) ist eine von ihnen. Mit ihrer Gitarre steht sich in der Mecklenburgstraße vor der Filiale eines Backwarenherstellers. Viel ist nicht los an diesem Vormittag. Es ist Lockdown. Doch die Stimmung von Sarah Eileen Rutzen ist gut. „In Schwein spiele ich zum ersten Mal und es ist auch das erste Mal nach diesem Corona-Winter, dass ich auf der Straße Musik mache.“, lächelt sie und bedankt sich bei einem Passanten, der ihr einen Obolus in den Gitarrenkoffer wirft.
Den Winter hat Rutzen in Halle verbracht. Dort hat sie in einer Kleingartenkolonie gewohnt. „Es gab Strom und einen Ofen und das Wasser habe ich mir in Kanistern mitgebracht.“, erzählt sie. Es wird im Gespräch schnell klar, dass materielle Dinge für sie nicht die oberste Priorität haben. „Mein Leben hat sich 2015 vollständig auf dem Kopf gestellt.“
Damals studiert sie in Hildesheim Kulturwissenschaften, Theater und Musik und hilft ehrenamtlich in der Kleiderausgabe der Kirchengemeinde für Geflüchtete aus Syrien. „Ich habe mir viele Fragen gestellt. Wir hatten nicht genug Schuhe für die 5 Kinder eines Vaters, und ich konnte nach Hause gehen und hatte dort alles, was ich brauchte. Ich war wütend und verzweifelt über die Not und Ungerechtigkeit, die uns umgibt.“
Und Rutzen fasst einen ungewöhnlichen Entschluss. Sie verschenkt ihre Sachen, behält nur das, was sie braucht und was in einen Rucksack passt, bricht das Studium ab und geht für ein halbes Jahr auf Wanderschaft. Sie macht sich mit einer Gruppe junger Leute auf die Suche nach der Verbindung zu ihrer eigenen Intuition und einem sinnvollen, selbstbestimmten Leben. „Die Idee war, bis zur Nordsee zu laufen, gelandet sind wir im Allgäu.“, lacht Sarah Eileen Rutzen und erzählt von der Suche nach Schlafplätzen, vom „Containern“, vom Lernen in der Gemeinschaft der „Wanderuni“ und der Langsamkeit des Wanderns.
Die Suche ist für sie nicht abgeschlossen. Auch das Musikmachen ist für sie ein Teil davon. Das Gitarrespielen lernt sie als 6jährige von ihrer Mutter. „Das war toll und eigentlich kann ich heute auch noch nicht mehr als die paar Dur- und Mollakkorde die ich von ihr gelernt habe.“, schmunzelt sie. Ihre Lieder handeln von Sehnsucht und dem Wunsch nach Verbundenheit. „Musikmachen ist für mich wie Beten. Meine Lieder sind eine Einladung zum Erinnern an die eigene tiefere Wahrheit. Ich bekomme die Lieder, die Texte und Melodien geschenkt. Auch meine Stimme. Sie ist einfach da. Und das gebe ich gerne weiter.“ Gerne würde sie ein Album mit ihren Liedern aufnehmen, und sie träumt davon nach Südengland zu reisen.
Die junge Musikerin in der Schweriner Fußgängerzone strahlt Lebensfreude aus. Das steckt auch ihre Zuhörer an. „In diesem Jahr scheint etwas anders zu sein.“, meint sie. „Es bleiben mehr Leute stehen und ihr Gesichtsausdruck ist freundlicher, sie lächeln mehr als sonst.“, sagt Sahra Eileen Rutzen. und ist sicher, dass dies nicht ihr letzter Auftritt in den Straßen der Landeshauptstadt war.