Der Mann für die Sicherheitstechnik Bala Diagana aus Mauretanien
Auf dem Schreibtisch stehen zwei große Bildschirme, liegen Tablet-PC, Tastatur, Telefon und viel Papier. An der Wand hängen Schaltpläne, Leiterplatten und andere elektronische Bauteile für Überwachungssysteme. Das ist der Schweriner Arbeitsplatz von Bala Diagana. „Bala Diagana ist bei uns der Fachmann für Kameratechnik und Überwachungssysteme.“, sagt sein Chef, Roland Haaker von alarm.direkt in der Schweriner Werkstraße.
In Nouadhibou, der zweitgrößten Stadt Mauretaniens verbringt Diagana seine ersten 7 Lebensjahre. „Nouadhibou ist eine Hafenstadt an der Atlantikküste. Sie ist groß, aber Hochhäuser gibt es da nicht. Als Kinder hatten wir viele Freiheiten und waren eigentlich ständig draußen.“, erinnert sich Bala Diagana. Im Senegal, dem südlichen Nachbarland Mauretaniens, wohnt die Mutter seines Vaters. Bei ihr lebt er die nächsten 5 Jahre und geht im Senegal zur Schule. Im Alter von 12 Jahren kommt Diagana dann zurück nach Mauretanien, dieses Mal zu den anderen Großeltern.
„Zurück in Mauretanien musste ich mit der Schule fast noch einmal von vorne anfangen. Das Schulsystem dort ist geteilt. Es gibt Schulen, da ist der Unterricht vollständig auf Arabisch. Diese werden vorwiegend von den arabisch orientierten Berbern besucht. Und dann gibt es Schulen, die unterrichten auf Französisch und Arabisch.“, sagt Diagana. Zwei Jahre geht er auf eine der arabischen Schulen. “In meiner Familie wurde kein Arabisch gesprochen und meine Ergebnisse waren nicht so gut“. So wechselt er und besucht wie die meisten Schwarzafrikaner in Mauretanien eine französisch geprägte Schule. „Viele von uns fühlen sich stärker verbunden mit dem Französisch der ehemaligen Kolonialmacht.“
Mit dem Abitur in der Tasche beginnt Diagana ein Jura-Studium. „Das hat mir nicht gefallen. Außerdem habe ich damals das Internet kennengelernt.“, lacht er, „Von da an interessierte ich mich mehr für Technik und Informatik.“ Er bekommt die Gelegenheit zum Studium an der Universität von Dakar im Senegal. Nach dem Wechsel an eine private Einrichtung beendet er drei Jahre später erfolgreich seine IT-Ausbildung. „Klar, so eine Ausbildung musst du bezahlen. Aber ich habe neben dem Studium schon Unterricht gegeben, Leuten gezeigt, wie sie ihre Computer besser nutzen können, Programme geschrieben, in einem Callcenter gearbeitet und ein bisschen Hilfe von meiner Tante bekommen.“
Zunächst bleibt er im Senegal und wird Mitarbeiter eines Architekturbüros, für das er zuvor als Student tätig war. „Zwei Jahre lang waren der IT-Support, die Netzwerkverwaltung und auch die Steuerung der Telefonanlage meine Aufgaben. Dann bekam ich ein Job-Angebot in Nuakschott, der Hauptstadt Mauretaniens.“ – Er nimmt es an. Und er merkt bald, dass ihn die Jahre im Senegal verändert haben. „Ich war nicht mehr voll „kompatibel“, schmunzelt er. „Im Senegal waren die Leute pünktlicher, zuverlässiger, nicht so korrupt und auch nicht so rassistisch gegenüber uns Schwarzen.“ Bala Diagana macht sich mit einem Partner aus Frankreich selbstständig, arbeitet für einen Anbieter von VoIP, einer Form des Telefonierens im Internet und schließlich im Bereich der Kamera- und Sicherheitstechnik. Alle zwei Jahre macht er etwas Neues. „Immer wenn ich mich gefragt habe, warum soll ich aufstehen und mit dieser Arbeit weitermachen, war es Zeit für einen Wechsel.“, sagt er lachend.
Im August 2008 putscht das Militär im Mauretanien zum zweiten Mal seit 2005. „Wir jungen Leute wollten nicht von Putsch zu Putsch leben, ohne dass sich wirklich etwas ändert.“, so Diagana. „Wenn du die Meinung der herrschenden Politiker nicht teilst und das auch noch sagst, kommst du schnell in Schwierigkeiten. Junge Leute haben kaum eine echte Chance, sich zu entwickeln, wenn sie nicht aus einem wohlhabenden Elternhaus kommen.“
Gemeinsam mit ein paar Freunden nutzt er seine IT-Kenntnisse, hackt sich in staatliche Systeme und macht Dinge öffentlich, die mancher gerne unter Verschluss gehalten hätte. „Whistleblower“ nennt man heute solche Leute, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringen. „Wir waren uns ganz sicher, dass sie uns nicht erwischen.“ – Doch es kommt anders. „Als ich in Tunesien war, erhielt ich einen Anruf: Du wirst gesucht! – Komm besser nicht zurück.“ – Heimlich reist er für kurze Zeit über die „grüne Grenze“ und flieht dann nach Italien. „Hier wollte ich warten, bis sich die Lage in Mauretanien beruhigt. Dann entschied ich mich aber, zu einem Freund nach Schweden zu gehen.“ Diagana kommt nur bis Hamburg. „Dort habe ich im Internet-Café eines Iraners gejobbt und bei ihm gewohnt. Erst ein paar Tage, dann ein paar Wochen und dann Monate.“, sagt er und beantragt in Deutschland Asyl. Das war 2011.
Über das Aufnahmelager in Horst, geht es in eine Sammelunterkunft in Ludwigslust. „Du bist wie gelähmt. Du darfst nichts tun. Ich war es gewohnt zu arbeiten und für mich selbst zu sorgen. Das war eine schreckliche Zeit.“ Zum Glück gab es in den Unterkünften immer wieder Menschen mit Handy- oder Computerproblemen. Das hilft Diagana auf dem Stand der Technik zu bleiben und wird zum Schlüssel für seinen Job bei alarm.direkt in Schwerin.
Seit 2015 kämpft er nun gemeinsam mit seinem Chef für einen sicheren Aufenthalt in der „Lebenshauptstadt.“ „Wir haben Kunden in Deutschland, Portugal, Spanien, Niederlande, England und bisher sind die Reisemöglichkeiten unseres Experten für Kameratechnik doch recht eingeschränkt. Vieles geht per Telefon und Internet, aber eben nicht alles. Balla Diagana spricht neben Deutsch auch Französisch, Arabisch, Englisch, und ein bisschen Italienisch, so eine Fachkraft kann man doch nicht gehen lassen.“, sagt Roland Haaker.
Länderinfo Mauretanien
Mauretanien, amtlich die Islamische Republik Mauretanien‘, liegt im nordwestlichen Afrika am Atlantik. Nachbarstaaten sind Algerien im Nordosten, Mali im Osten, Senegal im Südwesten sowie im Nordwesten der Landesstreifen der Westsahara. Mauretanien ist fast dreimal so groß wie Deutschland und besteht zum größten Teil aus Wüste.