Er zieht den Kopf ein. Und das mehrmals am Tag, denn sonst kommt der 2-Meter-Mann aus Norwegen nicht durch die Tür.
Martin Watne Frydnes ist in der kleinen Ortschaft Os, südlich von Bergen an der Küste in Norwegens Süden mit seinen 3 Geschwistern aufgewachsen. „So wie heute, mit Computer spielen, das kannten wir nicht. Wir waren viel draußen. Ich habe fast jedes Jahr eine neue Sportart ausprobiert: Fußball, Basketball, Handball, Leichtathletik. Unsere Eltern hatten gut damit zu tun, uns hin und her zu fahren“, sagt er.
Ein Jahr verbringt der junge Martin mit seinem Vater in der Schweiz. Der hat dort beruflich zu tun. Bei seiner Rückkehr ist Martin14 Jahre alt. Er hat die 2 Meter schon erreicht. Freunde überreden Martin zum Volleyballtraining. „Sie sagten, da sind die schönsten Frauen.“, lacht Frydnes. „Bei meiner Größe stellte mich der Trainer sofort als Mittelblocker auf das Feld.“
Zwei Jahre macht er sich auf der Position einen guten Namen in seinem Verein. Dann holen sie Martin Frydnes in die Jugendnationalmannschaft und er wechselt auf das Gymnasium des Norwegischen Volleyballverbands in Sauda. „Da hatte ich eine gute Zeit. Als Teenager möchtest du Teil einer Gruppe sein. Als 2-Meter-Jugendlicher war ich fast immer ein Außenseiter. Aber hier wollten alle 2 Meter groß sein. In 3 Jahrgängen waren wir 72 Leute dort und haben zweimal täglich trainiert.“
„In Norwegen haben wir eine gute Grundphilosophie für das Training im Sport. Wir bilden die Leute nicht gleich für den Wettkampf aus, sondern um Spaß zu haben. Darum bleiben viele Sportler auch lange dabei. Sie denken nicht gleich an Geld oder hören früh auf, weil es nicht für die Spitze reicht. Erst kommt der Spaß, dann vielleicht das Geld.“, meint Frydnes.
Für ihn geht es im Sport aufwärts. Er wird Mannschaftskapitän, wechselt nach dem Abitur in den Profisport nach Schweden. Schon in der ersten Saison wird er mit dem Team des VBK Falkenberg Landesmeister. Aber dann ist Schluss. Frydnes ist darf nicht weiterspielen.
„Es ist das „Marfan Syndrom“. Ich wusste das schon lange und als Kind wurde ich regelmäßig untersucht.“, erklärt Frydnes. Von dieser genetischen Erkrankung des Bindegewebes können Knochen, Muskeln, Bänder und auch Herz und Augen betroffen sein. „Durch den Wechsel vom Kinderarzt zu den Erwachsenen sind die Untersuchungen ein paar Jahre weggefallen. Aber jetzt, zu Beginn im Profisport musste ich das überprüfen lassen. Und die Empfehlung des Arztes war eindeutig. Ich sollte aufhören.“
Sein Berufswunsch war Volleyballer. Oder Polizist. Mit dem „Marfan-Syndrom“ ging beides nicht. „Daran hatte ich schwer zu schlucken.“, so Frydnes. Er ist zwar jung, aber schon ein sehr erfahrener Spieler und bekommt von seinem schwedischen Verein das Angebot, als Trainer für den Nachwuchs weiterzumachen. Frydnes freut sich, dass er nun mit einer anderen Aufgabe bei seiner Leidenschaft, dem Volleyball, bleiben kann. Er nimmt an.
Kurze Zeit später wechselt er als Trainer an sein ehemaliges Volleyballgymnasium. Er löst nach eineinhalb Jahren Tore Aleksandersen bei UiS Volley Stavanger ab. Der ist auf dem Sprung zum Schweriner SC, den er bereits ein paar Jahre zuvor sehr erfolgreich trainiert hat. „Als ich die Mannschaft des UiS Volley übernahm, war sie von Tore super vorbereitet und hoch motiviert. Am Ende der Saison waren wir Landesmeister und Pokalsieger.“
Von Stavanger wechselt Frydnes als Co-Trainer nach Breslau in Polen, dann zu Lokomotive Baku in Aserbaidschan. „Damals fallen die Ölpreise und der Verein kann die Trainer und Spieler nicht mehr wie vereinbart bezahlen.“, erzählt Frydnes. Eine Auseinandersetzung vor dem internationalen Volleyballverband CEV folgt.
Für zwei Spielzeiten übernimmt Martin Frydnes 2016 in Berlin das Training der deutschen U18 Nationalmannschaft und des VCO Berlin. Ab der Saison 2018/2019 tauscht er die Rollen mit Manuel Hartmann. Der geht von Schwerin nach Berlin und Frydnes kommt als Co-Trainer zu Felix Koslowski zum SSC Palmberg Schwerin in die Landeshauptstadt.
Zu Beginn seiner Trainerlaufbahn rät ihm sein schwedischer Coach, immer die größere Herausforderung zu wählen. „Er meinte, da gibt es mehr zu lernen. Das Spiel der Frauen sei komplizierter, langsamer und mehr von Taktik geprägt. Bei den Männer gilt: hart hauen und der Ball ist fertig. Das ist hier mehr wie Schach.“, lacht Frydnes, der seither Frauen trainiert.
Seine aktuellen Hauptaufgaben sind die Analyse und Nachbereitung: Auswertung der Spielstatistiken, Videobesprechungen mit der Mannschaft oder auch einzelnen Spielerinnen. „Die Herausforderung stimmt. Die Zusammenarbeit mit Felix, dem Team und Mannschaft ist gut. Die Vereinsführung ist sehr professionell. Ich habe Freiheiten, neue Dinge zu entwickeln und bin verantwortlich für die Mannschaft, wenn Felix mit der Nationalmannschaft unterwegs ist. Das ist eine tolle Verantwortung. – Und die Schweriner Fans haben eine Menge Volleyballwissen. Sie gucken dir bei jedem Spiel auf die Finger. Selbst wenn du gewinnst, heißt es manchmal „so doll war das gestern aber nicht.“, lächelt er.
In Schwerin fühlt er sich wohl. „Kein Stress, kein Stau. Wenn ich mich richtig verwöhnen will, nehme ich ein Buch und gehe einen guten Kaffee trinken. Ins Müllers oder in die KostBar.“ Martin Frydnes hat in Schwerin seine Lebensgefährtin kennengelernt. „Ein bisschen Glück gehört dazu.“, schmunzelt er.
Es ist für Frydnes die zweite Spielzeit in Schwerin. Den neuen Vertag hat er unterschrieben. Er bleibt also. - Seinen 32. Geburtstag feiert er mit 2.000 Gästen in der Palmberg Arena. Die Frauen des SSC Palmberg Schwerin gewinnen gegen Dresden nach einem 0:2 Rückstand mit 3:2. Ein tolles Geburtstaggeschenk für den Co-Trainer aus Norwegen.