Ich glaube, dass da oft einfach nur die Perspektive fehlt Christian Karius
"Ich habe mich ganz bewusst einer "Medien-Diät" unterzogen. Ich habe auch keinen Fernseher mehr. Ich bin jemand, der sich entschieden hat, in seinem Mikrokosmos zu leben, weil ich der Meinung bin, dass ich in der Welt, der großen Politik, relativ wenig bewegen kann. Aber in meinem näheren Umfeld kann ich das. Hier mit der Firma, mit den Menschen, die mich umgeben, mit den Menschen, die ich kennen lerne, da kann ich die Dinge regeln. Ich habe keine Lust mich über die "große Politik" aufzuregen und mich zu ärgern. - Mit den meisten Menschen ist es doch sinnlos über Politik zu reden. Am Ende kommt dabei raus: alle sind frustriert und unzufrieden und man sitzt mit 'nem ziemlich schlechten Gefühl da.
Über soziale Medien und die Leute, mit denen ich zusammenarbeite und mit denen ich mich unterhalte, kriege ich die wichtigsten Sachen ja mit ... Grundlegend ist das, was uns durch die Medienlandschaft angetragen wird doch furchbar. Demnach müsste wir ja wirklich in einer schlechten Welt leben.
Die große Diskussion über die Kameraüberwachung auf dem Marienplatz, das man darüber überhaupt diskutieren muss, ist doch furchtbar. Wenn die Menschen, die auf dem Marienplatz rum wuseln, etwas zu tun hätten, wenn sie eine Aufgabe hätten oder eine Chance hätte eine Aufgabe wahrzunehmen ... . Es ist ja immer die Frage,woran liegt es jetzt, dass die Leute Zeit haben, dort rum zu hängen. Ob dafür die Kamera die Lösung ist? Oder ob die Stadt sich mal fragen sollte, wie kriegen wir die Leute jetzt vom Platz weg?
Und da müsste unser System anders ausgerichtet sein. - Das gilt für alle, egal, ob mit deutschem Pass oder ohne.
Ich kann mich zum Beispiel darüber ärgern: die Uferpromenade gegenüber vom Schloss ist so schön gemacht worden. Da kannst Du nicht mehr mit dem Fahrrad lang fahren, weil alles voller Glasscherben ist. Da sitzen in der einen Ecke die Trinker, in der andere die Kids, die keinen besseren Ort wissen zum Rumlungern. Das ist doch nicht schön.
Ich finde, wenn jemand vom sozialen System profitiert oder davon abhängig ist, müsste der in die Pflicht genommen werden, irgend etwas für das soziale System zu tun ... Wo ist jetzt das Problem, den Leute mal einen Besen in die Hand zu drücken?
Ich habe mal Leute kennengelernt, die kamen aus Armenien. Die Töchter hatten bereits eine Ausbildung gemacht und die Eltern durfte nicht arbeiten. Die waren schon 15 Jahre hier und durften nicht arbeiten. Noch 15 Jahren immer noch nicht. - Wie kann das sein? Das ist doch Quatsch.
Genauso geht es doch bestimmt der Hälfte der Jugendlichen, die da sind. Die würden bestimmt etwas machen, wenn sie die Möglichkeit dazu kriegen. Ob das nun eine große Projektwerkstatt ist oder 'ne informelle Ausbildung, die von irgendwem geführt werden müsste. Oder eine eine allgemein nützliche Veranstaltung. Sagen wir mal, die räumen irgendwo auf und für jedes Kilo Müll gibt es irgendwas. So wie die Wertstoffsammlung früher, mit der wir ein Taschengeld verdient haben.
Ich glaube, wenn man den Leuten ganz unbürokratisch die Möglichkeit geben würde, etwas auf die Beine zustellen, es muss ja nicht Müll sammeln sein, da gibt's ja pfiffige Köpfe, die sich etwas einfallen lassen würden, dann würden das auch viele machen. - Woher sollen die zugewanderten Jugendlichen zum Beispiel denn die Perspektive nehmen? Du bist dann ja darauf angewiesen, dass Dich jemand an die Hand nimmt und Dir sagt und zeigt, was man so machen kann. Ich glaube, dass da oft einfach nur die Perspektive fehlt."
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