150 Pakete bedeuten 150 mal Lächeln Aristeidis Panopoulos aus Griechenland

Aristeidis Panopoulos, Griechenland

Im Wohnzimmer raschelt es neben dem weißen Rennrad, das an der Wand lehnt. „Das ist Feo!“, lacht Aristeidis Panopoulos, „Das Kaninchen einer Freundin. Es ist hier ein paar Tage zu Besuch.“ Auch Panopoulos kam als Besucher nach Schwerin. Im September 2015. „Ich wollte wissen, wie es Dimitri hier so geht. Dimitri hatte hier in Schwerin eine Ausbildung begonnen.“, sagt Aristeidis Panopoulus, der seinen Freund für zwei Wochen besucht. Aus den zwei Wochen werden erst vier, dann sechs Wochen und dann ruft er seinen Chef in Piräus an und sagt: „Ich bleibe erstmal in Deutschland.“

Ein Grieche aus Melbourne

Geboren ist Panopoulos 1983 in Melbourne, Australien. Die Urgroßeltern waren dorthin ausgewandert. Seine Eltern zieht es zurück nach Griechenland und der dreijährige ‚Aris‘ muss mit. „Irgendwie war ich in Griechenland immer ein Ausländer. Mit dem Herzen bin ich da nie angekommen.“, ist er überzeugt. „Meine Muttersprachen sind Englisch und Griechisch.“ Und so hat er auch zwei Staatsbürgerschaften: Australien und Griechenland.

Nach der Schule macht er in Griechenland eine Lehre als „Installateur“ und arbeitet dort knapp 12 Jahre in seinem Beruf. Hier in Schwerin besucht er erst einmal Sprachkurse und schwärmt von seiner Lehrerin. „Frau Brenner war klasse, ein echter Profi!“ Nebenbei jobbt er als Kellner am Domshof. Er beantragt die Anerkennung seiner Berufsausbildung. Nach den Sprachprüfungen B1 und B2 fängt Panopoulos bei einem Zeitarbeitsunternehmen an. „Hier und dort arbeiten. Ich wollte Erfahrungen machen. Wie läuft das hier in Deutschland? Was erwartet der Arbeitgeber? Was darf man, was darf man nicht?“

Im vergangenen Herbst wechselt er zum Paketdienst DHL. „Da bin ich Springer und warte morgens immer auf den Finger von Chef, der mir sagt, wohin es geht. Er gibt mir auch gerne mal die schwierigen Sachen“, lacht er. „Das ist doch eine tolle Anerkennung! Ich hatte schon viele Touren und kenne Schwerin inzwischen ganz gut. Im Moment stimmen Bezahlung und Arbeitspensum, aber Weihnachten war es schon echt hart.“ Panopoulos beklagt sich nicht. „Was ich jetzt mache, mache ich sehr, sehr gerne. Morgens erstmal ins Fitness-Center, dann zur Firma. Dort lese ich eine halbe Stunde, bevor die Arbeit beginnt. Die Kollegen wissen das schon. Und dann geht’s los.“

Wenn es einer kann, können es alle

Er liebt Bücher. „Ich habe Bücher gerne in der Hand. Viele Leute wissen nicht, wie man ein Buch richtig liest. Es gibt zwei Arten von Büchern: solche, mit denen man lernt und in die man etwas reinschreiben kann, und solche, die man liest und zu denen ich mir meine Notizen in einem kleinen Heftchen mache. Wenn ich das Buch später noch einmal lese, werden dann meine Gefühle und Gedanken nicht von meinen Markierungen im Buch beeinflusst und ich kann wieder etwas Neues in dem Buch entdecken.“ Zur Zeit liest er ein Fachbuch über NLP – Neurolinguistische Programmierung, auf Deutsch natürlich.

Seine Begeisterung für das Lernen ist spürbar. „Ich möchte mich als Mensch weiterentwickeln. Said Baba hat einmal gesagt, wenn es einer kann, dann können wir es alle‘.“, so Panopoulos. Ihn interessiert das größere Bild. „Wir sind alle Menschen und jeder hat etwas Besonders. Das Gute müssen wir herausfinden.“

Sein Freund Dimitri hat seine Ausbildung abgebrochen und ist zurück nach Griechenland gegangen. Aris Panopoulos ist geblieben. „Sonntags ist bei uns „Familientisch“. Da kochen wir mit Freunden aus Deutschland, Gambia, Griechenland und anderswo. Oft spielen wir hinterher etwas. Ich fühle mich hier frei und zu Hause. In drei Jahren habe ich geschafft, was ich in Griechenland zwanzig Jahre lang nicht geschafft habe: Auto, Wohnung, ein Freundeskreis ein stabiles Leben und gute Möglichkeiten. Ich habe dort nichts anderes gemacht als hier. Aber hier ist das, was ich tue wertvoll. Und ich kann mich weiterentwickeln.“, sagt er und ergänzt, wie dankbar er für alle Menschen ist, die ihn hier in Schwerin bis heute begleitet und unterstützt haben.

Ob es denn nicht eine schwere Arbeit ist, die vielen Pakete auszuliefern? „150 Pakete am Tag heißt auch, ich sehe 150 Mal ein Lächeln.“, schmunzelt er.

Anlagenmechaniker und Bürger der Welt

Die Anerkennung als „Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima“ durch die Handwerkskammer Schwerin war sein besonderes Weihnachtsgeschenk 2018. Fast zwei Jahre hat der Bearbeitungsprozess gedauert und mit Übersetzungen und allem Drum und Dran mehr als 1.000 € gekostet. „Vielleicht kann ich ja den Meisterbrief machen oder ein Fernstudium. Veränderungen mag ich. Damit muss man klarkommen: neue Menschen, neue Aufgaben, neue Situationen. Diesmal dann eine neue Sprache, die technische Sprache, die ich noch nicht kenne.“, so Aris Panopoulos, den seine Freunde kurz „Ari“ nennen.

Und wie sieht er seine Zukunft? „An Geld wird mir nicht fehlen. Die Frage ist doch, wie hoch kann meine Ebene sein als sein Mensch. Ich würde gerne etwas hinterlassen, was für die Welt wertvoll ist. Ein Buch, ein Wort oder eine Tat.“ Und wo wird das sein? „Mal sehen.“, antwortet er, „ich bin ein Mensch und wie Sokrates gesagt hat, ich bin ein Bürger der Welt.“

Dieser Artikel ist (gekürzt) auch in der Schweriner Volkszeitung SVZ 2019-04-15 erschienen.

Länderinfo Griechenland

Die amtliche Bezeichnung Griechenlands lautet Ελληνική Δημοκρατία, Hellenische Republik‘. In der Hauptstadt Athen leben knapp 700.000 Menschen, im Großraum Athen 3,8 Millionen der 11,5 Millionen Griechen.

Das Mutterland der Demokratie und Olympias hat wirtschaftlich schwere und politisch turbulente Zeiten zu meistern. Die hohe Schuldenlast hat das Land vor wenigen Jahren an den Rand des Ruins und Europa in eine Krise geführt. Der massive Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Bereich, Rentenkürzungen, Privatisierung staatlicher Unternehmen und nicht zuletzt der Rückgang des Tourismus ging sehr zu Lasten der kleinen Leute. Griechenland war und ist Transitland für Flüchtlinge aus den Nahen Osten und die Administration fühlt sich von Europa damit allein gelassen.

Immerhin, die griechische Wirtschaft wächst langsam wieder. Um 2 Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2019 und 2020 zulegen, prognostiziert die Europäische Kommission. Motor der Konjunktur werden die Nettoexporte und die Investitionen sein. Vom Privatkonsum erwartet die EU kaum Impulse. Parlaments-, Kommunal- und Europawahlen prägen das Jahr 2019 in Griechenland. Der Wahlkampf hat bereits begonnen. Damit wächst die Unsicherheit, ob die aktuelle Regierung das strikte Reformprogramm weiter umsetzen wird. Premierminister Alexis Tsipras hat seinen Bürgern finanzielle Entlastungen versprochen und die für 2019 geplanten Rentenkürzungen wieder aufgehoben.