Kämpfer für die Kultur Dr. Franklin Rodriguez Abad aus Ecuador
Bis unter die Decke reichen die Bücher in den Regalen im Arbeitszimmer von Dr. Franklin Rodriguez Abad in seiner Wohnung im Mueßer Holz. Jede Menge Literatur auf Deutsch und auf Spanisch: Bertold Brecht, Philosophie, Politik, Kultur, Tanztheater. Die Themenvielfalt ist groß. Das ist kein Wunder, denn Franklin Rodriguez ist Schauspieler, Diplom-Philosoph und promovierter Theaterwissenschaftler.
Aufgewachsen ist er in Loja im Süden Ecuadors. Erste Erfahrungen als Regisseur sammelte der junge Absolvent der Theaterhochschule der Universität Quito bereits Ende der Siebziger Jahre. Damals vertrat er Ecuador beim IV. Weltfestival des Theaters der Nationen in Caracas, Venezuela (1978) und lernte dort Theaterleute aus Rostock, DDR kennen. Klaus Hammel war von der Arbeit des jungen Franklin Rodriguez begeistert und sorgte dafür, dass Rodriguez in den Folgejahren auch an Internationalen Theatertreffen in der DDR teilnahm. 1981 erhielt er die Ehrennadel für Verdienste um die Freundschaft der Völker und zog 1984 auf Einladung der Liga für Völkerfreundschaft der DDR zur Promotion im Rahmen einer Aspirantur nach Berlin.
„Das war eine verrückte Zeit damals. An der Doktorarbeit sitzen, hospitieren bei Frido Solter (Deutsches Theater), Manfred Wekwerth (Berliner Ensemble) und auch bei Peter Stein (Schaubühne/ Westberlin). Mit meinem Pass aus Ecuador konnte ich ja fast problemlos jederzeit über die Grenze. So habe ich die deutsche Theaterkultur in zwei Gesellschafts-systemen gleichzeitig kennengelernt.“, so Franklin Rodriguez, der sich auch gern an die zufälligen Begegnungen mit Heiner Müller bei im Grenzübertritt und in Westberlin erinnert.
In Berlin trifft Franklin Rodriguez auf dem Heimweg nach einem Konzert auf eine Gruppe junger Leute. Unter ihnen Ulrike aus Schwerin. „Das war am 16. August 1987 nachts um 02:00 Uhr. Ulrike hat für Studenten aus der Sowjetunion übersetzt“, lacht Rodriguez. Ein Jahr später heiraten die Beiden, bekommen im Laufe der Jahre 4 Söhne.
„Als ich meine Doktorarbeit 1989 verteidigen sollte, herrschte im Fachbereich der Theaterwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin ein ziemliches Durcheinander. Die Wende. So wurde es dann Sommer 1990, bis ich die Promotion abschließen konnte. Und dann war die Frage: Was jetzt?“, so Rodriguez.
Zunächst mal geht er als Theaterlehrer an die Theaterhochschule „Ernst Busch“ nach Rostock. „Die Unsicherheit war groß damals. Und ich dachte, das ist auch eine Chance: In Schwerin etwas aufbauen, ein Freies Theater, iberoamerikanische Stücke. Ideen hatte ich viele. Meine Berliner Freunde aus dem Theaterbereich haben mich gewarnt. In Schwerin ginge so etwas nicht, sagten sie. Und manchmal denke ich heute: Sie hatten Recht.“
Franklin Rodriguez beschreibt eine bewegte Zeit von gut 25 Jahren in der Kulturszene der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Er leitet das Projekt "Alternatives Theater" der Arbeiterwohlfahrt und das Schauspiel-kunstseminar der Volkshochschule "Ehm Welk". Unter seiner Leitung geht hieraus das "Freie Theater Studio" hervor, eine der ersten Freien Theatergruppen, die sich kurz nach der Wende bildet und sich auch der experimentellen Erforschung der Theatertheorie und -praxis widmet.
Seit 1995 hat er in Schwerin über 700 Aufführungen freier Theatergruppen im TiK (Theater im Kulturbund) am Pfaffenteich und Internationale Festivals organisiert, darunter 5 Internationale Pantomime-Festivals und 5 Internationale Tanztheater-Festivals, die "Kabarettkampagne und zahlreiche "Kleinkunstsommer". Vielfach brachte er als einer der ersten neuartige multikulturelle Angebote nach Schwerin: Gospelmusik, Lateinamerikanische Rhythmen, Argentinischen Tango, Thai Chii, Qi Gong ...
Franklin Rodríguez wird Initiator der Bewegung zur Rettung des „Hauses der Kultur“ in Schwerin und engagiert sich mit vielen Unterstützern für die Umwandlung in eine internationale Begegnungsstätte, ein „Haus der Kulturen“. Im Jahre 2000 wird er vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau für seine völkerverbindende kulturelle Tätigkeit mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland geehrt. „Brecht hat einmal gesagt: Wenn es keine Widersprüche gäbe, würde ich sie erfinden.“, zitiert Rodriguez und beschreibt den Umzug des TiK aus dem „Haus des Kulturbundes“ in die Mecklenburgstraße 29. „Das Gebäude sollte saniert werden. Mit einer Menschenkette haben wir die Sachen rüber geschafft. Das war eines der schönsten Erlebnisse. So viel Unterstützung und Solidarität in der Stadt.“ Aus dem als vorübergehend geplanten Umzug wird ein Auszug ohne Wiederkehr und dann 2004 auch das Ende seiner Bemühungen.
Seither ist Franklin Rodriguez viel unterwegs. Er macht Dokumentarfilme, berät eine Zeitlang als Experte die Kultusministerin Ecuadors beim Aufbau einer Universität der Künste. „Es sind inzwischen über 20 Filme zu verschiedenen Themen. Seit dem Wechsel des Kultusministers muss ich juristisch um die Zahlung eines Teils meines Honorars kämpfen. Das ist nicht so leicht. Unser jüngster Sohn ist 7 und mein Lebensmittelpunkt ist seit 30 Jahren Schwerin. – Auch wenn meine Freunde von damals mit ihrer Warnung richtig lagen: Ich lebe mit meiner Familie gerne hier, pflege unseren Garten und habe nun auch die Einbürgerung beantragt.“
Der Artikel ist in der Schweriner VOlkszeitung am 02.09.2019 erschienen.