„Pippi Langstrumpf – Erziehung“ Jenny Svensson aus Schweden

Jenny Svensson aus Schweden

Über Frankreich nach Schwerin

„Pippi Langstrumpf – Erziehung“ nennt es ihr Mann scherzhaft, wenn sie beide in Sachen Erziehung des gemeinsamen Sohnes einmal nicht der gleichen Meinung sind und Jenny Svensson einen vielleicht eher unkonventionellen Standpunkt einnimmt. - Wie Pippi Langstrumpf kommt auch Jenny Svensson aus Schweden, aus Bromölla in Smoland. Dies ist der Hintergrund der Neckerei zwischen den Eheleuten. Doch hören die Gemeinsamkeiten zwischen Pippi und Jenny damit schon auf?

„Nach dem Abitur wollte ich gerne ein Jahr ins Ausland und weil meine „Nenn-Tante“ Carol in Frankreich lebte, ging ich dorthin. Als Au Pair-Mädchen habe ich in Bordeaux zwei Kinder betreut und zwei Jahre Gesang studiert. Bereits in meiner Schulzeit habe ich sehr gerne und viel gesungen und wäre am liebsten eine klassische Sängerin geworden. Aber dafür hat mein Talent nicht gereicht.“, sagt die 45 Jährige lachend, „So habe ich erstmal intensiv Französisch gelernt und durch einen Zufall über den Freund einer Au-Pair-Kollegin meinen heutigen Mann, Sven, kennengelernt. Er kommt aus dem Saarland und wir konnten uns auf Französisch gleich gut verständigen.“

Das Saarland war ihre erste Station in Deutschland. Und hier war es anders, als es sich die junge Frau aus Schweden vorgestellt hatte. „Das Leben in der Wohngemeinschaft und die lebendige alternative Szene in Saarbrücken passten gar nicht so recht zu meinen Vorstellungen vom geordneten und strengen Deutschland. Aus der Schule wussten wir vom Nationalsozialismus, ich hatte Bilder von Industrie und Ruhrgebiet im Kopf und dachte, alles sei spießig und eng. Aber hier gab es viel Grün, das Leben war vielfältig und bunt.“

Sven ging zur Ausbildung nach Basel und folglich verbrachte das junge Paar viel Zeit mit Pendeln auf der Straße. Dann ging es gemeinsam Richtung Norden. Nach Hamburg. Hier begann Jenny Svensson 1995 das Studium der Romanistik. In ihrer Abschlussarbeit über Postmoderne Literatur vergleicht sie Werke von Milan Kundera und Denis Diderot. „Als Schwedin auf Deutsch in Hamburg französische Sprach- und Literaturwissenschaften zu studieren erscheint mir heute ein bisschen unsinnig. Doch habe ich auf diesem Wegen extrem schnell Deutsch gelernt.“, schmunzelt sie. Und das spricht sie heute akzentfrei.

Kulturmanagemant und Netzwerken

Nach dem Studium war sie eine Zeit lang „Mädchen für alles“ beim Hamburger HRS Marketing Network, organsierte für deren Kunden Ausstellungen, Konzerte und andere Veranstaltungen. „Schlecht war das nicht, aber ich wollte lieber selbstbestimmt arbeiten.“, sagt sie und nahm die betriebsbedingte Entlassung nach dem Fortgang eines großen Kunden als Chance. Ihr war inzwischen klar, dass sie ihre Kenntnisse aus dem Studium, ihre Liebe zur Musik und ihre Erfahrungen aus dem Job im Marketing zusammenführen musste. „Ich wollte Kunst und Kultur machen. Doch ich wusste auch, dass mir hierzu noch einiges fehlt. Zum Beispiel von Verträgen oder den juristischen Dingen verstand ich nichts.“ Mit dem Aufbaustudium „Kulturmanagement“ an der Hochschule für Musik und Theater – HfMT - änderte sich das gründlich. Hier entwickelte sich Jenny Svensson auch gleichzeitig zu einer guten Netzwerkerin, wichtig für sie als junge, von nun an freiberuflich tätige Kulturmanagerin.

Lebensmittelpunkt ist seit 2002 die Landeshauptstadt Schwerin. Ehemann Sven hatte sein Studium der Eurythmie abgeschlossen und unterrichtet an der Schweriner Waldorf Schule. Ihre Aufträge als Theaterproduzentin, Projektleiterin und Veranstaltungsmanagerin führten Jenny Svensson allerdings immer öfter an die Elbe zurück. Unter anderem zu Kampnagel. Hier bringt sie mit Andreas Bode und Titus Engel das Requiem von Mozart in ungewöhnlicher Weise auf die Bühne, am Theater in Wien dann eine zeitgenössische Version des „L’Orfeo“, einer Oper von Claudio Monteverdi. „Ich mag es die Dinge neu zu gestalten, klassisches und modernes und zeitgenössisches zusammen zu bringen.“, sagt sie. Vielleicht ist es ja diese Vorliebe für Neues, die sie nach vielen Jahren der Freiberuflichkeit und der Geburt ihres Sohnes, Emil, zurück an das Institut für Kulturmanagement der HfMT führt, nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Dort lehrt und promoviert sie. Das Pendeln hatte also wieder begonnen, die Entfernung war kürzer. Und sie ist nun in der Schweriner Kulturszene längst keine Unbekannte mehr. Seit Herbst 2016 leitet sie das Jugendsymphonieorchester der Landeshauptstadt. Im Dezember 2016 verteidigt sie erfolgreich ihre Doktorarbeit zur Evaluation im Theater und Kulturbetrieb. Und sie pendelt weiter zwischen Schwerin und Hamburg. Bei der „Claussen-Simon-Stiftung“ ist Dr. Jenny Svensson die Programmleiterin für den Förderbereich „Kunst und Kultur“. Die Arbeit macht ihr Freude und sie kennt sich in der Materie aus, hat Erfahrungen aus Sicht der Geförderten und der Förderer, die sie hier gut einbringen kann.

Gewünscht: Mehr Kultur weniger Hierarchie

Und Schwerin? Hier lebt sie gern. „Für mich ist es hier vertrauter als für meinen Mann. Die Seen, die Landschaft, das Wetter und die norddeutsche Art sind Schweden ähnlicher als dem Saarland.“ Und Schweden ist nicht weit. Sohn Emil besucht regelmäßig seine Großeltern, hat Freunde dort und spricht natürlich auch Schwedisch.

Manchmal wünscht sie sich etwas mehr Kultur in der Stadt und ein bisschen mehr „Mangel an Hierarchiebewusstsein“. „Das „Frau Doktor“ kümmert in Schweden niemanden. Hier scheint es den Menschen wichtig, erst einmal zu prüfen „wer steht wo“. Gleichzeitig gefällt mir in Deutschland, dass Menschen und ihre Lebensweise sehr unterschiedlich sein können und es auch sein dürfen. „Anders sein als andere“, das geht hier besser. Hier ist es vielfältiger als in Schweden.“, sagt sie und macht gleich eine Einschränkung „Außer in der Erziehung. Da scheint hier für viele Menschen die Mutter unersetzlich. Männer können einfach nichts richtig machen. Ich denke für eine paritätische Erziehung ist doch der Vater genauso wichtig, oder?“

Also doch ein bisschen Pippi Langstrumpf? Auch wenn die Figur nur bedingt für einen Vergleich mit Jenny Svensson taugt, ein paar Gemeinsamkeiten gibt es vielleicht doch. Svensson denkt und handelt unkonventionell, erscheint lebensfroh und grundsätzlich optimistisch. Humorvoll ist sie und sie hat ein bisschen den Schalk im Nacken. Naja, und ihr Lebensweg ist ja auch alles andere als gewöhnlich.

Dieser Artikel ist (gekürzt) auch in der Schweriner Volkszeitung SVZ erschienen am 2019-02-18

Länderinfo Schweden

Gut 10 Millionen Einwohner leben in dem skandinavischen Königreich mit den tausenden vorgelagerten Inseln. Die Hauptstadt der parlamentarischen Monarchie ist Stockholm. Schweden, etwa fünfmal so groß wie Österreich, ist seit 1995 Mitglied der EU jedoch militärisch bündnisfrei und nicht Mitglied der NATO. In der Heimat von Astrid Lindgren, der IKEA-Gründer Ingmar Kamprad, Alfred Nobel, die Pop-Gruppe ABBA und die 16jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg liegt auch die Schwerins Partnerstadt Växjö.