Landeshauptstadt, ich dachte, das ist es! Kailash Bom aus Nepal

Kailash Bom, Nepal

Wer macht denn so etwas? Erst studieren und dann in die Lehre? Für Kailash Bom aus Nepal ist das keine Frage. Er macht es einfach mal andersherum als üblich.

Im Distrikt Darchula im gebirgigen Norden Nepals kommt Bom 1992 zur Welt. In der Region nahe der Grenze zu Indien und zum westlichen Teil der Gebirgszüge des Transhimalaya im Autonomen Gebiet Tibet der Volksrepublik China liegt der Mount Kailash. Seine Spitze hat eine außergewöhnliche Form und gleicht einer Pyramide. Er gilt den Tibetern als heiliger Berg und wird zum Namensgeber für den Jungen: Kailash Bom

„Ich habe noch einen anderen Namen.“, sagt Bom. „Wenn in einer Hindu-Familie ein Kind geboren wird, kommt nach etwa 10 Tagen ein gelehrter Brahmane, der sich mit den Sternen und der Astrologie auskennt und in einer Zeremonie dem Kind seinen Namen gibt. Aber meine Eltern haben sich für Kailash entschieden und ich bin dabeigeblieben.“ Seine Eltern verlassen die unwirtliche Region in den Bergen und gehen mit den Kindern in ein Dorf im Süden Nepals. Dort ist es flach. Es ist leichter, Landwirtschaft zu betreiben. Von 1996 bis 2006 befindet sich die Kommunistische Partei Nepals in einem Bürgerkrieg gegen die Monarchie und das hinduistische Kastensystem. Aus dem Süden zieht die Familie nach Kathmandu. Hier leben bereits Verwandte und die Hauptstadt gilt als sicher.

„Aber das Leben in Kathmandu war teuer. Zum Geldverdienen ging mein Vater als Gastarbeiter nach Dubai. Er hatte ja keine Ausbildung. Und so hat er dort geputzt und in Fabriken gearbeitet und uns Geld geschickt.“, so Kailash Bom. „Zum Essen und zu Wohnen hat es gereicht. Aber für eine gute Schule war es zu wenig.“ Seine vier Schwestern besuchen staatliche Schulen. Für den jungen Kailash, den Hoffnungsträger der Familie, legen sie zusammen. „Meine Oma ist heute noch etwas konservativ. Und als einziger Sohn musste ich in ein privates Internat. Emotional war das nicht gut. Mit 6 oder 8 Jungen in einem kleinen Zimmer. Man glaubte, der Unterricht sei dort gut. Aber die haben das Geld genommen und es war nicht wirklich besser. Wenn der Internatsleiter sauer war, hat er uns mit einem Holzknüppel verhauen. Ich lag eine Woche im Bett.“

Kailash erhält ein Stipendium für die letzten Schuljahre und den Besuch des Colleges. Er studiert Betriebswirtschaft an der Tribhuvan Universität. Unterrichtssprache ist Englisch. „Einen Bachelorabschluss zu haben, bedeutet in Nepal gar nichts. Du musst kämpfen, um einen Job zu kriegen.“ Neben dem Besuch der Schule und der Universität beginnt Kailash Bom als Trekking Guide zu arbeiten. Er belegt einen Kurs als Reiseleiter und bekommt nach der Prüfung eine Lizenz. Für einen Reiseveranstalter begleitet er Touristen im Annapurna-Gebirge. „Von den Gästen habe ich damals etwas Deutsch gelernt und ich denke, deswegen bin ich heute hier.“, lächelt Bom. Ein paar Jahre lang arbeitet er in verschiedenen Ressorts in Nepal. Besonders die ökologisch orientierten Betriebe gefallen ihm.

Unter den Gästen ist ein Osteopath aus Deutschland, der in Katmandu eine Praxis betreibt. Kailash Bom hilft in der Praxis als Übersetzer aus. Die beiden freunden sich an und leben in einer Wohngemeinschaft. „Da kamen auch viele Deutsche und ich habe einen Sprachkurs besucht. Für die Arbeit mit den Touristen war das super. Und ich wurde neugierig auf Deutschland.“

Gerne wäre Bom zum Masterstudium nach Deutschland gekommen. Aber die Hürden, vor allem die Kosten, sind zu hoch. „Ich hätte einen Kredit bei der Bank aufnehmen müssen. Das war einfach nicht drin.“, so Kailash Bom. Stattdessen macht er etwas Ungewöhnliches.

„Ein Mann, der als Au Pair arbeiten möchte, das hat sogar die Frau in der Botschaft in Katmandu überrascht.“, erzählt er. Doch genau das ist der Weg. Kurz vor Sylvester 2018 tritt er seine neue Aufgabe bei einer Familie nahe Wismar an. „Das hat wirklich Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Aber nach einem Jahr war Schluss. Jetzt war die Frage „Masterstudium“ oder „Ausbildung“?

„Ich habe mich für die Ausbildung entschieden. Die ist hier gut organisiert und ich kann Vieles in der Praxis lernen. Als ich die Chance bekam im Schweriner Hotel Speicher am Ziegelsee als „Hotelfachmann“ eine Lehre anzufangen, habe ich schnell „ja“ gesagt. Ich dachte, „Landeshauptstadt“, das ist es. Dort ist etwas los und ich treffe auch Landsleute aus Nepal. Aber ich bin hier wohl der einzige Nepalese!“, lacht er.

Nach Feierabend geht er gerne laufen. Bis Zippendorf und zurück. „Ich würde gerne wieder einmal Billard spielen.“, sagt er. „Eine Zeitlang habe ich bei „Rhythms of Resistance“ im Schweriner KOMPLEX mitgetrommelt. Aber das schaffe ich neben der Ausbildung nicht mehr.“ Und so spielt er in seiner Freizeit nun Gitarre. Mit seinem Mitbewohner, der Schlagzeug lernt, arbeitet es an einem kleinen Programm, das beide künftig im Café DAR aufführen möchten. – Wenn dort wieder geöffnet ist.