Geiler Scheiß aus Schwerin: Graphikdesign/Illstration Karen Obenauf
Ich bin auf dem Dreesch aufgewachsen. Mit meiner Mutti und meinem jüngeren Bruder bin ich von Brüsewitz 1985/1986 dorthin gezogen, Endstation Hegelstraße. Bis 2002 habe ich die ganzen Veränderungen dort mitgemacht: von Familienidylle mit vielen jungen Familien, Zentralheizung, alles in der Nähe, Kindergarten, Kaufhalle, Schule bis zu dem Moment, dass Viele in die Außenbereiche gezogen sind, ein Haus gebaut haben und es anfing mit dem Leerstand bis es ein sozialer Brennpunkt wurde. Inzwischen war ich mal wieder dort und sah, dass viel Häuser sind weg sind.
Meine Mutter arbeitete in Lankow und ich ging zum Schliemann Gymnasium. Heute ist dort das CAT - Campus am Turm. Ein paar DDR-Erinnerungen habe ich noch: auf dem Weg zu meiner Einschulung 1989 mussten wir eine lange Zeit an der Straße stehen und waren spät dran, weil sehr viele Panzer aus der Stadt herausfuhren. Ja, und samstags Unterricht, 8 Wochen Sommerferien, Fahnenappell, ein Mal im Monat Probealarm und mein Pioniertuch. Das hat meine Mutter irgendwann vernichtet.
Nach dem Abitur hatte ich keinen Plan, was ich eigentlich machen wollte. Es wurde ein Jahr Praktikum in einer Werbeagentur. Da habe ich den Job der Grafikdesignerin kennengelernt und dann 2003 meine Ausbildung an der Designschule Schwerin begonnen.
Damals sind viele von uns weggegangen zur Ausbildung, zum Studium oder wegen des Jobs. Ich bin geblieben und habe mich dann entschieden Schwerin erst einmal richtig kennenzulernen. Ich kannte Schwerin ja gar nicht. Mein Zuhause war der Dreesch. Die Innenstadt hat für ich gar nicht stattgefunden.
Die Ausbildung war okay. Wir haben gute Grundlagen bekommen, besonders in der künstlerischen Ausbildung, Farbenlehre, mit der Hand zeichnen, 8 Stunden an der Staffelei grade Linien ziehen …Ich wollte ursprünglich Malerei studieren, habe mich aber nicht getraut. Die Aufnahmebedingungen, Mappe einsenden, Eignungstest, Vorstellungsgespräch. Nee, heute denke ich, diese Grafikdesignausbildung war eine gute Kombination.
Für eine Agentur zu arbeiten, konnte ich mir nicht vorstellen. Deren Arbeitsweise war nicht meine. Außerdem gab es in Schwerin gab es keine Agenturen und die großen in Hamburg und Berlin zahlten schlecht. Ich hatte während des Studiums den Schweriner Grafiker Martin Molter kennen gelernt. Von ihm wollte ich lernen und bin im letzten Studienjahr zu ihm ins Büro.
Martin machte mit anderen seinerzeit Trickfilme und als die Kollegin für die Hintergrundzeichnungen ausfiel, konnte ich einspringen. Martin sagte: „Geh zum Finanzamt, hol Dir 'ne Steuernummer und fang' an zu zeichnen. Da war ich im August 2006 plötzlich freischaffende Grafikdesignerin und Illustratorin in Schwerin. In der Bürogemeinschaft mit Martin Molter, Kevin Fredersdorf und Martin Klemkow hatte ich ganz viel Unterstützung bei vielen Fragen und die richtigen Leute an der Seite.
Dann war es dran auch klassische Gestaltungsmittel für Kunden zu machen: Werbemittel, Flyer, Logo-Entwicklung, Broschüren Visitenkarten. Alles was so dazu gehört. Mein erster Kunde war das Filmpalast Kino. Inzwischen betreue ich 15 Kinos der Filmpalast-Kino-Gruppe. Grafikdesign ist heute das Grundrauschen. Ich habe jetzt ein eigens Büro und seit einiger Zeit verschiebt sich mein Arbeitsschwerpunkt in Richtung Illustration als neuer Schwerpunkt.
Ein Schweriner Kunde erzählte, er produziere gerade ein Kinderbuch mit einer Illustratorin aus Berlin. Da wurde mir klar: die Schweriner wissen gar nicht, dass es mich und andere Illustratorinnen hier in Schwerin gibt und wir echt geilen Scheiß machen. Das wollten wir ändern.
So kam es 2018 zur Gründung von POPPY FIELD. Das steht für temporäre Projekte von Illustratorinnen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Ausstellung POPPY FIELD „Wanderer“ mit Tine Schulz, Andrea Köster, Antje Hubold und Konstanze Zelck präsentierten wir 2019 in den Schweriner Höfen im Rahmen des FILMKUNSTFEST MV.
Sehr viel Freude habe ich an den Workshops „Freie Illustration“ mit Kids an der Schule der Künste. Gemeinsam mit anderen Illustratorinnen verwirklichen wir gerade die Idee, ein MAGAZIN zu erstellen Ende Oktober 2020 wird es dazu eine Ausstellung mit Release geben. Ich habe mir einen Risographen zugelegt und freue ich mich erstmal auf den Workshop im April mit einer Kollegin aus Leipzig, die uns Risographie näherbringt. Das ist eine besonderes Druckverfahren mit dem wir dann sicher auf uns aufmerksam machen.
Was ich an Schwerin liebe, ist die Ruhe. Die Stadt ist klein und beschaulich, die Seen sind wunderbar. JA, es gibt nicht viel Auswahl an Veranstaltungen. Doch das wirklich Gute ist, wenn Du hier etwas wirklich möchtest, dann kannst Du es hier gut selbst initiieren. Das funktioniert gut, weil jeder jeden kennt und die Leute nicht nur oberflächlich nach dem nächstbesten Kontakt suchen, der sie vorwärts bringt.
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