In Cuba kommt man einfach so vorbei ... Marcos Simpson aus Cuba
Ein bunter Bildband über Cuba, eine Muschel und Schwarz-Weiß-Portraits von Che Guevara gehören zu den Erinnerungsstücken von Carlos Simpson an seine Heimat Kuba. Sie stehen auf dem kleinen Schrank in der Ecke des Wohnzimmers.
Simpson ist gut informiert über die aktuellen Ereignisse auf der größten Karibikinsel. Offiziell lebt er seit 1988 in Schwerin, in Wirklichkeit schon ein paar Jahre länger. Was in Kuba los ist, bringt die Satellitenschüssel auf dem Balkon direkt auf die Mattscheibe in Schwerin. Das Programm des Senders „Cubavision“ kommt aus der Hauptstadt Havanna und der Sender TV Martí, ein staatlicher US-amerikanischer Rundfunksender, der sich speziell an die kubanische Bevölkerung richtet, sendet aus Miami USA. „Die einen sagen so, die anderen sagen so. Da ist es doch gut, sich ein eigenes Bild zu machen.“, sagt Carlos Simpson.
In die DDR kommt er im Alter von 22 Jahren im Dezember 1979. Kurz zuvor ist er noch im Einsatz für die kubanische Armee in Angola. „Da waren alle. Wir haben die Truppen gestellt, die DDR hat die Fahrzeuge und Lebensmittel geliefert und die Russen die Waffen. Den 27. Mai 1977 werde ich nicht vergessen. Damals gab es einen Putschversuch und die Angolaner in meiner Kompanie sind einfach abgehauen. Du wusstest nicht mehr, wer auf deiner Seite ist und wer nicht. Und ich stand plötzlich alleine da.“, sagt er nachdenklich.
Nach einem Urlaub in Kuba reist der junge Simpson als Mitglied einer sozialistischen Brigade zur Ausbildung als Zerspanungsmechaniker zunächst nach Karstädt, dann in das Kombinat VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge. „Damals holte ich mir, wenn ich mal nach Berlin fuhr, gelegentlich eine kubanische Zeitung, die Granma. Die war zwar drei Wochen alt, aber ich habe mich über die Nachrichten von Zuhause wirklich gefreut.“
An den Wochenenden geht es zum Tanzen nach Schwerin. Am Abend des 30. Mai 1980 ändert sich sein Leben. Beim Erzählen leuchten seine Augen. Es geht ins Klubhaus der Kabelwerke. Und er trifft auf die „kleine Blonde“. Sie, Petra, wird später seine Frau.
1981 kommt die gemeinsame Tochter, Danjela, zur Welt. Simpson verlängert seinen Aufenthalt in der DDR, der zunächst für vier Jahre geplant war. Bevor das Paar zusammenleben kann, ist ein Berg an Bürokratie ist zu überwinden. Simpson stellt 1983 den Antrag auf Übersiedelung in die DDR. Die Lauferei dauert bis 1988 und führt das Paar sogar in das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR nach Berlin. „Sechs Monate haben wir auf den Termin bei der Sekretärin von der Sekretärin von Oskar Fischer gewartet.“, lacht er. „Und nach ein paar Minuten sagt sie „Sie sind kein Bürger der DDR, mit Ihnen spreche ich nicht mehr.“ Wir blieben in dem Büro und ich sprach dann mit meiner Frau, sie sprach mit ihr. Das war komisch“, so Simpson. „In der Stasi-Akte meiner Frau konnte man das später nachlesen.“
Später, 1986 kommen, Marco und Roberto, Zwillinge, dazu. 1989 können Marcos und Petra endlich heiraten. Inzwischen sind sie Großeltern und freuen sich an ihren drei Enkeln.
Die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze 1989 erlebt Marcos Simpson in der Halle der Schweriner Hydraulikwerke. „Willst Du mit? fragten die Kollegen. Die Mauer ist auf! – Und plötzlich stand ich allein ein der Halle. Ich habe meine Teile weitergemacht und zum Feierabend bin ich nach Hause gegangen.“, lacht er und sagt: “Für mich war das nicht so aufregend. Der Sozialismus hier war besser als bei uns in Kuba, die Kinder waren klein. Ich hatte, was ich brauchte, und war zufrieden mit meinem Leben. Das bin ich heute auch noch.“
Nach der Wende überlegen die Simpsons 1991/1992, sich selbstständig zu machen. „Du kannst hier höchstens ein afrikanisches Restaurant eröffnen! sagte der Mann in der Ausländerbehörde damals und hielt dabei meinen kubanischen Pass in der Hand. Meine Frau hätte ein Unternehmen eröffnen können, aber ich hätte nicht einmal Geschäftsführer werden können.“ Heute arbeitet Simpson bei „Hydraulik Nord“ in Parchim.
Nach 19 Jahren und 11 Monaten war Marcos Simpson zum ersten Mal wieder in Kuba. „Ich bin in Matanzas geboren. Da steht die Wiege der kubanischen Musik und niemand glaubt mir, dass ich keine Musik machen kann.“, schmunzelt er. „Aufgewachsen bin ich in Havanna.“ - Seit 20 Jahren ist Simpson nun deutscher Staatsbürger und Kubaner. Die kubanische Staatsangehörigkeit kann man nicht aufgeben. „Für mich ist es immer noch ein bisschen fremd, dass man sich hier erst mit Freunden und Nachbarn verabreden muss. In Kuba stehen die Türen offen, man kommt einfach mal so vorbei und wer keine Eile hat, bleibt ein bisschen zum Schnacken.“
Simpson und seine Familie leben schon lange in den verschiedenen Bauabschnitten des Großen Dreesch. Sie haben erlebt, wie der Berliner Platz auch mit Hilfe von Kubanern gebaut wurde. „Vor einiger Zeit steige ich bei Kaufland auf dem Parkplatz aus dem Auto, und ein junger Mann sagt zu seiner Tochter: Guck mal, so leben die von unserem Geld. – Der kennt mich überhaupt nicht.“, sagt er irritiert. „Schwerin ist bunter geworden. Und hinter jedem Menschen steckt doch eine besondere Geschichte. Es wäre schön, wenn man die mehr hören könnte. Das wäre auch besser für die Integration.“, ist er überzeugt.
Simpson ist sicher, dass er über die fast 40 Jahre hier im Land ein Buch schreiben könne. Die Behörden bekämen darin sicher mehr als ein eigenes Kapitel.
Gekürzt ist der Artikel auch in der Schweriner Volkszeitung vom 29.07.2019 erschienen: https://www.svz.de/lokales/zeitung-fuer-die-landeshauptstadt/in-kuba-kommt-man-einfach-vorbei-id24899927.html
Länderinfo Cuba
Die Republik Kuba liegt auf der größten karibischen Insel. Die Fläche Kubas von 109.880 km² entspricht ungefähr 33 % der Größe Deutschlands. Von den rund 11 Millionen Einwohnern lebt ein Fünftel in der Region um die Hauptstadt Havana.