Lieber arbeiten als lernen Naim Bajrami aus dem Kosovo

Naim Bajrami

Dr.-Külz-Straße. Erster Stock. Die Tür links führt zum Tattoo-Studio. Die rechte Tür zum Büro von „Naim Bajrami Trockenbau“. An den weißen Wänden hängen Bauzeichnungen und Kalender. In den Regalen stehen Ordner. Für jedes Jahr haben die Ordnerrücken eine andere Farbe.- „Angefangen haben wir im Sommer 2011. Da waren wir zwei Mann. Heute beschäftigen wir mehr als 20 feste Mitarbeiter.“, lächelt Naim Bajrami selbstbewusst. Ihm ist klar, was er da in den letzten 10 Jahren geschafft hat.

Schule ist nicht so sein Ding

Als Jüngster von 3 Brüdern kommt Naim Bajrami 1974 im Dorf Llausha bei Podoujevo im damaligen Jugoslawien zur Welt. Im Laufe seiner Schuljahre merkt Bajrami, dass das Pauken nicht so sein Ding ist. Als er älter wird, beginnt er zu schwänzen. „Die ersten beiden Stunden war ich meistens im Unterricht. In der zweiten hatten wir Basketball. Aber danach hatte ich genug.“, lacht er. Ein paar Monate hält er das vor seinen Eltern geheim. Doch dann fliegt er auf. „Ich wollte immer auf eigenen Beinen stehen und das war die Gelegenheit, mein Leben in die Hand zu nehmen.“, so Bajrami. Sein Weg führt wenig später in die Schweiz Drei Tage pflanzt er dort Palmen ein und bekommt dafür 350 Schweizer Franken. „Das war wirklich viel Geld. Ich wollte ein bisschen was verdienen und dann irgendwann zurück.“ Der Krieg um die Kontrolle des Kosovo vom Februar 1998 bis zum Sommer 1999 macht da einen Strich durch die Rechnung. Naim Bajrami ist mittlerweile in Deutschland und bittet um Asyl. Über die Erstaufnahmeeinrichtung in Horst kommt er nach Wismar. „Das war eine ganz schreckliche Zeit.“, erinnert sich Bajrami. „Jahrelang durften wir nichts tun. Arbeiten war nicht erlaubt. Sprachkurse gab es nicht. Und ich wollte doch unbedingt etwas tun.“

Geld vom Amt möchte er nicht

Man sieht ihm auch heute noch an, dass er damit nicht zufrieden war. „Das Sie mich nicht falsch verstehen. Ich bin Deutschland sehr dankbar. Ich hatte ein Dach über dem Kopf, Kleidung, zu essen und sogar eine Krankenversicherung. Aber ich wollte nie vom Geld vom Amt leben. Ich wollte arbeiten und für mich selber sorgen. Schon immer.“ 2006 darf er das dann auch. Und er legt los. Als Helfer im Trockenbau arbeitet er drei Jahre bei einem Schweriner Unternehmen. Er sammelt reichlich Erfahrungen und als die Firma Pleite macht, hat er das Rüstzeug für die eigene Selbstständigkeit. Falls es mit dem Trockenbau nicht gut läuft, gründet er auch eine Gebäudereinigung. Zunächst fährt er eine Weile zweigleisig. Doch der Trockenbau ist bis heute der erfolgreichere Weg.

Die erste Million Umsatz

2017 knackt er die Umsatzmarke von 1 Million Euro. Die Bauvorhaben seiner Kunden auf der Referenzliste sind im ganzen norddeutschen Raum zu finden. Ferienwohnungen in Hohen Wieschendorf, ein Schulbau in Hannover, ein Hotel in Hamburg, eines in Kühlungsborn, ein Einkaufszentrum in Bremen. Öffentliche Bauvorhaben sind nicht auf der Liste. „Die Vorstellungen der öffentlichen Hand sind so, dass wir die Preise mit unseren festen Mitarbeitern, die wir anständig bezahlen, meist nicht anbieten können.“, so Naim Bajrami. 24 Leute aus 6 Nationen stehen auf seine Lohnliste. „Sprachlich ist das zwar nicht immer einfach, aber zum Glück habe ich im Laufe der Jahre als Asylbewerber auch ein bisschen die Sprachen anderer gelernt.“, lacht Bajrami. „Und inzwischen haben wir auf den Baustellen immer Trupps mit einem Vorarbeiter. Das klappt ganz gut.“ Die positive Entwicklung hält an. So sind es 2019 bereits 2,6 Millionen Jahresumsatz. „Seit Corona müssen wir auf den Baustellen natürlich Masken tragen und Abstandsregeln einhalten. Das ist nicht schön, aber möglich. Die Auftragslage ist gut und bis August/September 2021 sind wir voll ausgelastet. Für die Akquise neuer Kunden suchen wir auch noch jemanden.“, so Bajrami optimistisch. Im Büro der Trockenbaufirma herrscht ein kumpelhafter und verbindlicher Umgangston. Es ist klar, wer der Chef ist. Seine Mitarbeiter schätzen ihn. Für Menschen, die sich auf das Geld vom Amt verlassen, hat er kein Verständnis. Er ist ein echter „Self-made-Mann“ und er ist sicher noch nicht am Ende seines Weges.

Heimisch ist nich zuhause

Mit seiner Familie lebt er in Schwerin-Warnitz. Dort hat er ein Haus gebaut. Die zwei großen Kinder gehen zur Schule, das jüngste ist gerade ein paar Monate alt. Seine Augen strahlen, wenn er über seine Kinder spricht. „In Schwerin fühle ich mich wohl. Hier bin ich heimisch, aber zuhause bin ich in Llauhsa.“ Und sobald es geht, wird er seine Eltern und Brüder dort auch wieder besuchen.