Der rote Faden: Dornröschen Paul Zeplichal aus Österreich

Paul Zeplichal aus Österreich

* Sein Vorbild: Rudolf Chametowitsch Nurejew

Dornröschen. Die Märchenprinzessin zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Es ist die erste Ballettaufführung, die der Wiener Junge, Paul Zeplichal, 1980 in der Wiener Staatsoper besucht. Es tanzt Rudolf Chametowitsch Nurejew. Und die Legende des klassischen Balletts hat keinen Schimmer davon, dass diese Aufführung das Leben des kleinen Paul entscheidend prägen wird. Die Inszenierung, das Tanzen, hat Paul beeindruckt. Das ist auch seiner Mutter nicht entgangen, die ihn fragt, ob er es mit Ballett nicht mal versuchen wolle. - Und das wollte er. Zunächst im Jugendzentrum. Dort ist er der einzige Junge unter zwanzig Mädchen. Wenig später wechselt er an die Ballettschule des Österreichischen Bundestheaterverbandes. Auch hier sind Jungen die Ausnahme. „Nein, in der Familie hatte ich kein Vorbild. Meine Eltern waren Bibliothekare. Sie waren sehr liberal und standen mir zur Seite.“, sagt Paul Zeplichal, dessen Schwestern, als Buchhändlerin und Bibliothekarin, auch die Welt der Bücher wählten.

Fußball oder Tanzen?

Am 14. September 1983 betritt Paul, zehn Jahre alt, zum ersten Mal die Bühne der Wiener Staatsoper. Ballett. Dornröschen. Als „Page“ steht er neben dem König, hält den Baldachin. Choreografie von Rudolf Nurejew. „Das war toll. Das weiße Licht der Scheinwerfer. Die Tänzer. Immer, wenn sie in der Staatsoper Kinder brauchten, haben sie uns geholt. Das war schon ein großes Glück.“, resümiert Zeplichal. Bis zu Matura, dem österreichischen Abitur, waren es rund 200 Ballett- und Opernaufführungen. Vormittags Schule, nachmittags und samstags Training. „Natürlich haben mich manche Freunde damit aufgezogen.“ schmunzelt Paul Zeplichal, „Aber wenn ich sie gefragt habe, was denn wohl interessanter sei: Mit 11 Jungs hinter einem Ball herlaufen oder mit 8 hübschen Mädchen Tanz trainieren? – Dann war das ganz schnell erledigt.“ Noch während der Ausbildung tanzt er bei der Glyndebourne Festival Opera in der Choreographie von Martha Clarke Tadzio und in John Schlesingers „Ein Maskenball“-Inszenierung zu den Salzburger Festspielen. Dafür war er auch schon mal zwei Monate vom Schulunterricht freigestellt.

„Ein Engagement an der Wiener Staatsoper war anfangs schon mein Ziel. Aber nun war es keine Option, ich fühlte mich nicht reif dafür, wollte auch irgendwie erst einmal weg.“, so Zeplichal, der mit Kopenhagen liebäugelt, dann aber bei einer Leningrader Ballettschule vortanzt. Und mit einem Mitschüler, der russische Wurzeln hat, geht es an die Neva zur Waganowa Akademie St. Petersburg. „Es waren wohl 6 Tage nach meiner Ankunft, dann wurde Leningrad in „St. Petersburg“ umbenannt.

Im Ballettsaal die Liebe gefunden

In der Ballettschule ging es sofort zur Sache. Entweder lernst Du Russisch oder es geht gar nicht.“, meint Zeplichal und zögert einen Moment. „Es war im 5. Stock im 3. Ballettsaal. Da war ein Mädchen und es hat sofort ‚Bumm gemacht!‘. Zu meinem Freund hab ich gesagt: Siehst Du das Mädel da? Die wird meine Frau!“, lacht er, „Und dieses Jahr im September feiern wir in Schwerin unsere ‚Silberne Hochzeit‘ “. Mit Julias Hilfe lernt er Russisch. Nach zwei Jahren erwirbt er das „Staatliche Tanzdiplom“.

Bühnen in aller Welt

Am St. Petersburger Staatsballett wird er für „Choreografische Miniaturen“ engagiert. In „Schwanensee“ stand er auf der Bühne des Marijnskij-Theaters, dessen Ballett neben dem Moskauer Bolschoi Ballett als das bedeutendste Ballettensemble Russlands gilt. Es geht auf Tournee. Fünf Wochen Taiwan, dann Korea, Japan und im Laufe der nächsten drei Jahre auf zahlreiche Bühnen der Welt. „In der Zeit habe ich unglaublich viel gelernt und könnte heute auf fast allen Bühnen im Westen Europas „Schwanensee“ einrichten“, sagt er. Aber bevor Zeplichal die Seiten wechselt und seine berufliche Laufbahn am Bühnenrand fortsetzt, kommen er und seine Frau Julia noch ein bisschen rum. An die „Staatliche Ballettschule Budapest“ und die „Academie de la danse Monte Carlo“ geht es, und an die Elbe. „Die Tourneen waren schön, aber wir mussten auch mal Geld verdienen. 1996 konnten wir beide am Theater in Magdeburg als Tänzer anfangen. Daraus wurden zehn Jahre. Unser Sohn kam zur Welt und mit der 24-Stunden KITA konnten wir Arbeit und Familie ganz gut vereinbaren.“, so Zeplichal.

Er hat viele Rollen getanzt. Darunter den „Mohr im Nussknacker“, den „Hofnarr in Schwanensee“, den „Bräutigam in Peer Gynt“, „Baby John in der West Side Story“. Er stand in der Rocky Horror Picture Show und als „Blauer Vogel in Dornröschen“ auf der Bühne. Bei der Tanzcompagnie Gießen beendet er seine Laufbahn als Tänzer. „Mit 36 Jahren kann ich zwar noch, aber muss ich das auch? fragte ich mich selbst, als sich 2009 die Gelegenheit bekam, als Trainingsleiter des Balletts in Nordhausen zu wirken.“ Mit seiner neuen Chefin, Jutta Ebnother arbeitet er seither erfolgreich zusammen. „Mit Jutta bin ich „beruflich verheiratet“. Mit dem Wechsel konnte bei der Kunst bleiben. Das war Glück und das haben wirklich nicht alle Tänzer.“

Ich bin ja seit Jahren Ausländer, fast überall

Seit 2016 ist seine Bühne das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin. Hier ist Paul Zeplichal Ballettmeister und Assistent der Ballettdirektorin, Jutta Ebnother. „Ach, auch mit dem Wechsel nach Schwerin hatte ich Glück. Die Konzerte und Aufführungen in Wien sind nicht besser, nur teurer und in großen Städten kannst Du Dich sehr einsam fühlen. Ich fühle mich hier wohl, kaufe meine Äpfel auf dem Markt und wenn ich mal etwas Österreich brauche, dann gehe ich auf eine Melange und einen Kaiserschmarn in den „Feinspitz“ in der Puschkinstraße.“

Zeplichal lacht gerne und viel. „Ich bin ja seit Jahren Ausländer, fast überall. Als Österreicher hab ich Glück. Die meisten mögen unseren Akzent und haben ein positives Bild von Österreich. Glaub an was Du willst.“, sagt er, „Meine Religion ist meine Familie.“ Er sprüht vor Optimismus und Energie. Das Wort Glück verwendet er oft. „Wissen Sie, ich halte nichts vom „Volkssport Aufregen und Schlechtreden“. Mein Großvater sagte immer „Jeder Tag ist ein Geschenk. Zum Raunzen ist das Leben zu schade.“ Man muss die Dinge in die Hand nehmen. Dann gibt es nur Lösungen und keine Probleme.“ - Und ob es einmal Dornröschen in Schwerin zu sehen geben wird? Zeplichal lächelt und bestellt sich eine weitere Melange.

Dieser Artikel ist (gekürzt) auch in der Schweriner Volkszeitung SVZ erschienen 2019-03-18

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