Einfach nur ins Ruderboot Philipp Rechner aus Australien
„Die Querschnitte sind hier größer. Das ist der wesentliche Unterschied. Und die Sparren liegen weiter auseinander als in Australien. Aber sonst ist vieles im Handwerk wirklich ähnlich, egal ob Du in Melbourne, Vancouver oder Schwerin arbeitest.“, sagt Philipp Rechner. Seine Ausbildung hat der Zimmermann in Melbourne, Australien gemacht.
Dort ist er auch aufgewachsen, ist er zur Schule gegangen. Seine Mutter kommt aus der Umgebung von Schwerin, sein Vater aus Australien. „Wie meine Eltern sich Ende der siebziger Jahre kennengelernt haben, ist eine eigene Geschichte.“, schmunzelt Rechner und erzählt von seiner Kindheit in Melbourne. „Ich war ein echtes „draußen-Kind“, wollte immer etwas entdecken. Besonders gerne habe ich mir Baustellen angesehen. Einmal habe ich zugesehen, wie in der Nachbarschaft von Hand innerhalb vor 3 Tagen ein Holzhaus abgerissen wurde.“
Philipp Rechner ist nicht sicher, ob damals die Grundlage für seine spätere Berufswahl gelegt wurde oder vielleicht sogar schon etwas früher. „Im Kindergarten gab es Holzklötze, Hammer und Nägel. Wir haben viel gebastelt. Das hat Spaß gemacht!“
Zuhause wird zunächst viel Deutsch gesprochen, auch in der deutsch-evangelischen Gemeinde. Dort gibt es ein deutsches Gesangsbuch, die Gottesdienste sind auf Deutsch. „Beim „Deutschen Basar“ gibt es Bratwürste und Kartoffelsalat, typisch deutsches Essen. „Im Kindergarten und in der Schule ging es los dann mit Englisch“, so Rechner.
In der Nähe seines Elternhauses ist ein Fluss. Dort beginnt der junge Philipp in der 7./8. Klasse mit dem Rudern. Nach 2 Jahren macht er eine Pause. „So ab 2007, als Lehrling, habe ich dann 3 Jahre richtig durchgezogen, im Ruderverein. - Ich weiß nicht, wie ich das damals geschafft habe. 45-50 Stunden arbeiten, dann 5 Mal pro Woche für 2 Stunden trainieren und am Wochenende die Wettkämpfe. Aber wir hatten auch noch keine Verpflichtungen damals.“
Nach der Ausbildung will der junge Zimmermann die Welt sehen. Work and Travel führt ihn 2012 nach Vancouver in Kanada. „Ich hatte mir vorgenommen, 6 Monate durchzuhalten. Daraus sind 1,5 Jahre geworden. Das war echt entspannt. Kanadier und Australier sind sich irgendwie ähnlich.“, sagt er. „Dann bin ich zurück nach Australien und es war, als sei die Zeit dort stehen geblieben, als hätte sich nichts geändert. Dieselben Baustellen, dieselben Fahrzeuge, dieselbe Arbeit und 35 Grad Celsius. Nach 10 Monaten bin ich wieder los.“
Dieses Mal geht es nach Deutschland. Nach Mecklenburg. Die Landschaft sei ähnlich, meint Rechner. Es gäbe in Australien zwar keine Buchen und kaum Eichen, eher Eukalyptusbäume. Aber der Wechsel in der Landschaft, das viele Grün, sind ein bisschen wie Zuhause, findet er.
„Auf der Baustelle der A14 habe ich an der Wildbrücke mitgebaut. Schalung und Bewährung. Das war neu für mich. Die nächste Baustelle wäre bei Kassel gewesen. Wir hätten dort vor Ort übernachten müssen. – So etwas hätte ich auch im Westen Australiens haben können. Da wird dann aber wirklich richtig viel Geld verdient. Ich wollte etwas von Deutschland sehen und nicht nur arbeiten. So bin ich dann hier in der Schweriner Region geblieben.“
Inzwischen sind daraus 5 Jahre geworden. Seine australische Ausbildung ist mittlerweile anerkannt. „Das ist wichtig, wenn ich hier leben und arbeiten will.“ Der Anerkennungsprozess hat fast ein ganzes Jahr gedauert.
Letztes Jahr hat er geheiratet. Die ganze Familie kam zu Besuch. Das gefiel ihm. „Ich bin einer von vier. Meine ältere Schwester lebt in Berlin, mein Bruder war in Yokohama, Japan und meine jüngste Schwester wohnt in Bath, England. Unsere Eltern leben in Australien.“ - Und die Familie fehlt ihm hier manchmal.
„Wenn jemand aus Australien zu Besuch kommt, dann muss er unbedingt „Vegemite“ mitbringen!“, sagt Rechner bestimmt. - „Vegemite“ ist ein Hefeextrakt, der Vitamine der B-Reihe enthält. Es ist dunkelbraun, mäßig bis gut streichbar und schmeckt salzig, malzig und leicht bitter. Hergestellt wird es wird in Port Melbourne, Australien und gilt als Inbegriff typisch australischer Ernährung, als „the taste of Australia“. Die offizielle Webseite des australischen Premierministers nennt 4 australische Kultur-Ikonen: das Opernhaus in Sydney, den berühmten Fels Uluṟu (Ayers Rock), den typischen Akubra-Hut und eben „Vegemite“. – „Man mag es oder man mag es nicht!“, ist Rechner überzeugt.
Rechner lebt gerne in Schwerin. „Für mich ist es eine wichtige Sache, dass man Wasser hat, dass man Landschaft hat und nette Menschen.“ Er ist Mitglied im Ruderverein und bedauert sehr, dass er es nur selten schafft, zum Training zu gehen. Beim Drachenbootfest ist er aber dabei. „Ein tolles internationales Event für Schwerin!“, freut sich Rechner. „Beim Meister-Cup des Handwerks bin ich im Boot der Handwerkskammer einer von zwei Handwerkern, die noch auf dem Bau sind!“
Seine ruhige Art, seine gute Laune und sein Lachen wirken ansteckend. „Ich glaube, gute Laune zu haben, ist eine Frage der Einstellung. Wenn Du mit Grummeln aus dem Bett steigst, ist der ganze Tag grummelig. Ich wache mit der Sonne auf und denke: Wie schön!“
„Es gibt Leute, die sagen, in Schwerin sei nichts los!“, sagt er „Ich denke das nicht. Theater, Kino, Restaurants zur Auswahl, Menschen, die man treffen kann. In der „Hauspost“ findest Du jeden Monat 4 Seiten mit Veranstaltungen in Schwerin. Was möchtest Du mehr? – Wenn ich morgens früh über den Paulsdamm zur Arbeit fahre und der See liegt dort links und rechts – spiegelglatt -, dann möchte ich oft einfach nur ins Ruderboot steigen.“
Länderinfo Australien
Es lebt sich gut in „Down Under“. Das jedenfalls sagt der Human Development Index (HDI; Index für menschliche Entwicklung). Australien belegt Platz 2, Deutschland liegt auf Platz 4 dieses Wohlstandindikators der Vereinten Nationen.