Kneipe 7. Wie vom Licht ins Dunkel. Reiner Lorenz

Reiner Lorenz

Frag mal Schweriner so ab 55 oder älter. Wenn sie die „Busch-Bar“ kennen, dann kennen die auch mich. Seit 1981 bin in Schwerin in Sachen Gaststätten unterwegs.

Wirklich toll war die Arbeit in der „Busch-Bar“, in der Buschstraße. Einst gehörte das Haus Familie Weist. Erst hieß es Café und Konditorei Weist, später Schweriner Café-Stuben und dann im Volksmund „Busch-Bar“. Das Café war die Treppe nach oben, mit eleganten Sitzen im Biedermeierstil. Unten war eine Tages-Bar. Die hat morgens um 09 Uhr aufgemacht und Betrieb war bis 22/23 Uhr. Da ging die Post ab. Die kannten uns in Berlin, Leipzig, Warnemünde, überall. Tausende Kaffees am Tag ausgeschenkt, Drinks gemixt. Das war ein geiles Arbeiten, muss ich schon sagen.

Geboren bin ich in Bremen. Aber ‘67 wurde ich mit 12 Jahren in den Osten verschleppt. Das war für mich wie vom Licht ins Dunkel zu kommen. – Meine Mutter hatte sich hier verliebt und ich musste mit. Meine Mutter ist dann bald verstorben und ich wollte zurück. Doch die haben mich nicht gelassen, aber wirklich getan haben sie mir auch nichts. - Ich habe den Dienst an der Waffe verweigert, ab 1975 Ausreiseanträge gestellt und die Klappe aufgerissen. Gelernt habe ich im Metallbau und dann ging es in die Gastronomie.

Alle 6 Wochen musste ich zum Verhör. Ich hatte echt die Schnauze voll. Einmal hatte ich vorher einen Lütten getrunken und habe zu dem Staatssicherheitsmajor gesagt „Sie machen ihrem Namen aber auch wirklich alle Ehre.“ Das war zu viel. Der hieß Heydrich. – Der hat mich aus persönlichen Gründen nicht ausreisen lassen, obwohl aus Berlin regelmäßig nachgefragt wurde, ob der „Vorgang endlich abgeschlossen und die betreffende Person“ endlich ausgereist sei. - Das kannst Du alles nachlesen in den Stasi-Akten.

Unmittelbar nach der Wende gehörten meine Frau, sie war selbstständig, und ich zu den ersten Arbeitslosen. Mit Unterstützung eines Hamburger Partners haben wir dann 1991 in der Walter-Rathenau -Straße eine Videothek und eine Gaststätte aufgemacht. Wir hatten einen Kaufantrag für das Haus gestellt. Jedes Jahr bin ich hingegangen in die Werderstraße und habe nachgefragt, was nun wird. Und es hieß: „Machen Sie sich keine Sorgen Herr Lorenz!“ Darauf haben wir uns verlassen. - Überraschend stand im Frühjahr 2006 der neue Eigentümer vor mir, wollte sich die Räume angucken. Dann mussten wir raus.

Im Mai 2006 sind wir dann hier gelandet: Großer Moor 7. Das hat der „Kneipe 7“ auch den Namen gegeben. Ich habe mal das Innenleben eines ganzen Eisenbahnwagons aufgekauft und nun sitzen meine Gäste hier in der Kneipe 7 auf den Bänken der 1. und 2. Klasse.

Wenn der Laden läuft, macht mir das wirklich Spaß. Die Jungs, die hier kommen sind zum Teil seit 1991 meine Gäste. Einige von Ihnen waren 17, 18 Jahre alt damals und sie sind bis heute bei mir. Viele von ihnen sind selbstständig, als Tischler, Dachdecker oder Zimmerleute. Für die ist das hier das zweite Wohnzimmer. Hier können sie den Abend ausklingen lassen. Dafür ist die Kneipe da. Ich verkauf ja keine Milch. Ich hab‘ nichts zu verbergen, hatte ich nie. Mit mir kann man super auskommen, Pferde stehlen. Ich mag nur eins nicht: angelogen werden. Immer ehrlich miteinander umgehen. Dann klappt das.

Die Baustellen hier vor der Tür machen uns allen zu schaffen. Da hat jeder von uns Einbußen. Ohne meine Stammkunden hätte ich wirklich richtige Probleme.

An 01. Mai 2021 beziehe ich dann offiziell Rente. Vielleicht mache ich dann noch ein paar Jahre, vielleicht kommt einer und kauft mir die Kneipe ab, mal sehen.“