Schon ganz schön "Deutsch" geworden. Sandrine Touko aus Kamerun
Nach Feierabend macht sie gerne mal einen Einkaufsbummel in der Schweriner Innenstadt, dort wo sie zurzeit auch wohnt. Sandrine Touko ist erst seit Februar 2019 in der Landeshauptstadt.
Für ein Techikstudium ist Deutschland beste Wahl
Sandrine Touko (32) kommt aus Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. Seit neun Jahren lebt sie in Deutschland, in Aachen. Dort sind auch ihr Mann, Herve, und ihre 5jährige Tochter, während Touko hier in Schwerin mit ihrem ersten Job nach dem Studium startet. An der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen hat sie im Herbst 2018 den Abschluss „Master Wirtschaftsinformatik“ erhalten. Wie viele junge Leute hatte sie ihre ersten Berührungen mit der IT durch Computerspiele. Ihr Interesse an der Technik und der Wunsch zu wissen, wie das alles funktioniert, hat sie nach Deutschland gebracht. „Deutschland ist für uns ein Vorbild in Europa, die Industrie vor allem. Und wenn man im technischen Bereich studieren will, ist Deutschland die beste Wahl.“
Das Abitur in Kamerun ist mit dem deutschen Abschluss gleichgestellt. Nach einem Sprachkurs am Goethe-Institut in Yaoundé war die erste Hürde auf dem Weg an eine deutsche Universität genommen. Für ein Studentenvisum brauchte sie nun noch einen Bürgen, der in Kamerun sesshaft ist, und musste 7.608 € auf einem Sperrkonto hinterlegen. „Ich hatte Glück. Mein Papa war Arzt und konnte etwas sparen.“, sagt sie. „Meine erste Station war Illmenau.“
Kulturschock: Zwischen zwei Kulturen
Etwa 6.000 junge Leute studieren an der Technischen Universität Illmenau in Thüringen, unter ihnen rund 1.200 Studierende aus aller Welt. Hier verbessert Sandrine Touko ihre Deutschkenntnisse. Ihre Muttersprache ist Französisch und neben Deutsch spricht sie selbstverständlich auch Englisch. „Die Menschen in Illmenau waren freundlich und offen. Ich glaube, weil hier viele Ausländer studieren, sind sie schon an uns gewöhnt. Aber ich mag eher größere Städte. Da ist mehr los. Wir Afrikaner treffen uns gerne mit Freunden und Familie und machen viel gemeinsam. Darum bin ich nach Aachen gezogen. Dort ist es lebendiger. Belgien und die Niederlande sind nicht weit.“ - Von Aachen pendelt sie zum Studium nach Gelsenkirchen. Als Praktikantin bei IBM in Köln im Rahmen des Programms „LEADing to Africa“ lernt sie den Arbeitsalltag im IT-Business kennen.
Toukos Geschwister sind weit verstreut. Eine Schwester lebt in Belgien, eine in den USA, ein Bruder in Frankreich, zwei Brüder in Kamerun. „Ich bin die Jüngste.“, lacht sie. „Wenn wir uns in Kamerun treffen, heißt es: „Du bist schon deutsch geworden“, weil ich pünktlich bin und mir dort manches nicht schnell genug geht. Ehrlich, am Anfang war das Leben hier für mich ein Schock.“ Sie schildert, wie sie sich bemüht hat, alles richtig zu machen und dann zu einem Termin 5 Minuten zu spät gekommen ist. Dort hörte sie dann: „Sie sind 5 Minuten zu spät. Da kann ich nichts mehr für sie tun.“ – „Bei uns kann man dann immer noch verhandeln und eine Lösung finden. Hier muss man alles auf eine bestimmte Weise machen und es gibt wenige Abweichungen von den Regeln. Aber am Ende ist das Ergebnis gut. Das zählt. Und ich habe mich daran gewöhnt. Wir Afrikaner sind wirklich zwischen zwei Kulturen.“
So fragt sie sich, ob sie noch immer Christin ist. „Bei uns verbringen wir viel Zeit in der Kirche und beten und bitten Gott uns zu helfen. Aber das reicht nicht.“, sagt sie. „Man muss selber etwas tun, wenn man etwas erreichen und verändern möchte!“
Unternehmen in Schwerin suchen IT'ler
„Nach dem Studium habe eine „Blue-Card“ beantragt. Damit kann ich überall in Europa arbeiten.“, sagt sie. Für ihre Anstellung hier in Schwerin, zahlt sich das aus. Ihr Arbeitgeber, „Trebing & Himstedt Prozessautomation GmbH & Co. KG“, berät seit mehr als 25 Jahren Konzerne und Mittelstandskunden verschiedener Industriebereiche national und international. „Am Anfang hatte ich ein komisches Bauchgefühl. So direkt von der Hochschule. Im technischen Bereich gibt es nur wenige Frauen. Und ich als Ausländerin. Schaffe ich das, als Beraterin zu bestehen? - Doch meine Kollegen sind nett und die Vorgesetzten haben viel Geduld. Sie haben mich gleich mit in das Team aufgenommen. Sie haben mir ihr Vertrauen geschenkt und so habe ich an Selbstvertrauen gewonnen. Ich fühle mich schon fast Zuhause“, sagt sie zuversichtlich. Nach der Einarbeitung als Beraterin für SAP MES Manufacturing Execution Systems ist es ihre Hauptaufgabe Kunden zu beraten, Lösungen für deren Probleme zu entwickeln, Workshops und Seminare durchzuführen.
Und wie und wo sieht sie ihre Zukunft? „Ich weiß noch nicht. Bevor ich herkam, war ich skeptisch. Ich war vorher noch nie in Norddeutschland. Und ich hatte gehört, die Leute hier seien verschlossen. Aber das stimmt nicht. Doch irgendwie hat es hier mehr Charme für einen Urlaub.“, meint sie unentschlossen. „Trebing & Himstedt hat auch einen Standort in Stuttgart. Mein Bruder lebt in Straßburg und ich habe Freunde in Süddeutschland. Mal sehen.“ Langfristig kann sich auch ein Leben in der Heimat vorstellen. Herve, ihr Mann, ist Bergbauingenieur und vielleicht gründen die Zwei eines Tages in Kamerun ein eigenes Unternehmen.
Vor der Entscheidung wird sie sich Schwerin und die Umgebung mit Ehemann und Tochter noch gründlich ansehen, das Schloss besuchen und an die Ostsee fahren.
Dieser Artikel ist (gekürzt) auch in der [Schweriner Volkszeitung 2019-04-08] erschienen.
Länderinfo Kamerun
Das Land verdankt seinen Namen den vielen Krabben (Portugiesisch „Camarões“) im Fluss Wouri. Der Naturraum der Republik Kamerun wird auch „Afrika im Kleinen“ genannt. Alle wesentlichen Klimazonen und Vegetationen des Kontinents sind hier zu finden: Meeresküste, Gebirge, Regenwald, Savanne und im Norden auch Wüste. In dem an Bodenschätzen reichen Land mit 25 Millionen Einwohnern ist auch in anderer Hinsicht manches „typisch Afrika“.
Die einstige deutsche Kolonie in Zentralafrika war nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Großbritannien und Frankreich aufgeteilt worden. Der dienstälteste Präsident auf dem Kontinent, Paul Biya, ist seit 1982 im Amt. Im Westen herrscht Bürgerkrieg. Das Land ist reich an Bodenschätzen und tief gespalten. Während Subsistenzlandwirtschaft einen Teil der vor allem ärmeren Bevölkerung ernährt, gibt es einige wenige sehr reiche Kameruner.
Staatliche Monopole in vielen Wirtschaftszweigen sind weitgehend abgebaut. Von der Privatisierung profitierten vor allem französische, südafrikanische und US-amerikanische Unternehmen. Chinesische Firmen engagieren sich beim Ausbau von Häfen, Straße und anderer öffentlicher Infrastruktur.
Neben den Amtssprachen Französisch und Englisch werden 200 regionale Sprachen gesprochen. Trotz sinkender Geburtenrate, verbesserter Bildung und steigender Lebenserwartung erreicht Kamerun 2017 nur Platz 151 von 188 im Index der menschlichen Entwicklung (HDI).