Sie mag Handgemachtes und gibt Konzerte Yuko Ellinger aus Japan
Es war Ende der Neunziger Jahre, als Freunde ihr eine Freikarte für das Konzert in Kumamoto schenkten. Am Flügel saß Matthias Kirschnereit, Professor an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. „Als er die ersten Takte gespielt hatte, dachte ich „Mein Gott, wie schön ist das!“ Bei ihm würde ich gerne studieren. Schon lange wollte ich einmal in das Land von Brahms, Bach und Beethoven. Ich dachte, wenn ich diese Chance verpasse, dann wird das nie etwas!“ erinnert sich Yuko Ellinger.
Sie ist geboren in Nagasaki und aufgewachsen in Kumamoto im Süden Japans. Ihr Vater war Organist in der katholischen Gemeinde. Damals, so sagt der Vater, habe die kleine Yuko Mine gerne den Orgelbalg getreten und dafür gesorgt, dass die Orgel Töne machen kann. Mit 5 Jahren beginnt für sie die musikalische Früherziehung. „Das war Gruppenunterricht am Klavier, auch mit Tanzen und Singen und es hat mir Spaß gemacht. Mit 10 war mir klar, dass dies mein Weg ist. Ich war ganz gut und andere Fächer lagen mir nicht so. In Mathe war ich schlecht.“, lacht sie.
Nach dem Abitur geht sie mit 18 Jahren an die Toho-Gakuen-Hochschule für Musik in Tokio. Hier macht sie ihr erstes Diplom im Fach Klavier und kehrt zurück nach Kumamoto. Hier arbeitet sie als Klavierlehrerin, begleitet einen Chor.
Am Ende des Konzertes von Matthias Kirschnereit sucht sie sofort nach einer Dolmetscherin und überredet sie, den Pianisten in seiner Garderobe aufzusuchen. „Ich möchte mit Ihnen arbeiten und bei Ihnen studieren, sagte ich zu ihm. Er war ein bisschen schockiert, glaube ich, aber er forderte mich auf, ihm meine Aufnahmen zu schicken. Oh, ich war so glücklich!“
Sie nimmt auf, was sie spielen kann und schickt die Kassette nach Rostock. „Und dann kam keine Nachricht, 4 Monate lang nichts. Okay, Du bist nicht gut genug, dachte ich. Doch plötzlich, eines Nachts, kam ein Fax aus Deutschland. Das stand „Liebe Yuko, Ihre Aufnahmen haben mir gut gefallen. Kommen sie zur nächsten Aufnahmeprüfung.“ Ich konnte nicht mehr schlafen.“, sagt sie und die Aufregung von damals ist auch heute noch spürbar.
Intensiver Sprachunterricht, viele Privatstunden und gründliche Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung bestimmen die nächsten Monate. Mit ihrem Vater kommt sie zur Prüfung nach Rostock. „Damals war die Stadt noch ziemlich grau, überall gab es Baustellen. Mein Vater war entsetzt und fragte mich „Yuko, möchtest Du wirklich hier studieren?“. Das will Yuko Mine auf jeden Fall und es klappt.
Im September 2000 setzt die junge Frau aus Japan ihr Studium in Rostock bei Matthias Kirschnereit fort, wo sie ihr Konzertexamen 2005 und ihr Kammermusikstudium 2007 mit Auszeichnung besteht.
In ihrer Rostocker Wohngemeinschaft hat Yuko Mine eine tolle Zeit. Sie lernt viele Leute kennen, lernt, wie man hier im Supermarkt einkauft und auch ein paar Schimpfwörter. „Das Wort „arschkalt“ hatte ich in Japan noch nie gehört.“, lacht sie, die anfangs viel lernen und üben muss.
Bald beginnt die Pianistin selbst zu unterrichten, erhält einen Lehrauftrag. Sie gewinnt zahlreiche Wettbewerbe und erhält Auszeichnungen, so beim Viotti-Wettbewerb in Vercelli (Italien) und beim Schubert-Wettbewerb in Dortmund. Als Solistin sowie Kammermusikerin tritt sie auch bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern auf und konzertiert auf internationaler Ebene mit zahlreichen Orchestern wie der Polnischen Kammerphilharmonie, dem Orchestra Sinfonica di San Remo, der Neuen Philharmonie Westfalen, der Norddeutschen Philharmonie Rostock oder dem Philharmonischen Orchester Vorpommern.
Bei einem Meisterkurs für Kammermusiker in Füssen im Allgäu trifft sie auf den Dozenten Matthias Ellinger. „Ich fand ihn nett. Und nach dem Workshop habe ich mich mit ihm auf Facebook befreundet. Ich bin so dankbar für Facebook! Wer weiß, wie es ohne Facebook gelaufen wäre!“, lacht sie.
Die beiden sind seit 2012 verheiratet. Seit 2014 leben sie in Schwerin. Beide unterrichten am Schweriner Konservatorium. Am Konservatorium ist ihre jüngste Schülerin gerade einmal 6 Jahre, die älteste 64 Jahre alt. Yuko Ellinger liebt den Austausch in der Musik mit ihren Schülerinnen und Schülern ebenso wie mit den Studierenden in Rostock und den Profis in aller Welt.
Nach fast zwanzig Jahren in Deutschland findet sie es nicht mehr unhöflich, zu sagen was sie denkt und direkt zu sagen, was sie möchte. „Das ist in Japan anders. Wir sagen mehr „zwischen den Zeilen“ und schweigen auch mal. Da sind unsere Kulturen unterschiedlich.“
Eine Fahrt mit dem Rad auf dem Franzosenweg nach Zippendorf ist für sie Entspannung pur. Sie mag die Läden für Handgemachtes und geht gerne mal in das Kreativkaufhaus in den Schweriner Höfen. „Schwerin ist wirklich schön und nie langweilig“, sagt sie und setzt sich an den schwarzen Flügel. Ein Musikerkollege, der nach Berlin gezogen ist, hat ihr den Flügel geliehen, bis er eine Wohnung findet, in der genug Platz dafür ist. „Ich brauche jetzt ein wenig Zeit zum Üben.“, sagt sie. Für ein Solokonzert reist sie im August nach Kumamoto. Dort wird sie spielen: Joseph Haydn, Claude Debussy, Franz Liszt und Johann Sebastian Bach. Und sie wird ihre Eltern treffen. Darauf freut sie sich sehr.